: „Sie werfen ihr Leben weg“
Mehmet Scholl hört vor Fußballspielen nicht nur Musik, sondern hat diese nun auch zum zweitenMal auf CD herausgegeben. Ein Gespräch über Pop, die Jugend als Fußballer und David Beckham
Interview JANIS VOSS
Mehmet Scholl, 33, ist Berufsfußballer und hat mit dem FC Bayern München alle möglichen Pokale gewonnen. Aber er besitzt nicht nur eine beeindruckende Sammlung an Fußballtiteln, sondern auch einen ausgewählten Musikgeschmack. Auf dem Münchner Indielabel „Blickpunkt-Pop“ veröffentlicht er nun den zweiten Teil seiner gitarrenlastigen Lieblingslieder. Der Titel: „Mehmet Scholl Kompiliert 2“.
taz: Herr Scholl, wie kam es überhaupt dazu, dass Sie einen eigenen Sampler rausgebracht haben?
Mehmet Scholl: Das war eigentlich Zufall. Marc Liebscher, dem das kleine Musiklabel „Blickpunkt-Pop“ gehört, legt ab und zu im Münchner Atomic-Café auf. Dort bin ich auch öfter gewesen, und außerdem ist er ein Freund und der Manager von den Sportfreunden Stiller. Da ich die Sportfreunde schon immer gut fand und sie alle große Fußballfans sind, haben wir uns schnell kennen gelernt. Außerdem hat es mich schon immer gereizt, etwas Persönliches auf den Markt zu bringen.
Sind Sie auch jemand, der zu Hause Mix-Tapes oder CDs für Freunde aufnimmt?
Natürlich. Ich verschenke die beispielsweise zu Geburtstagen, ich finde das wesentlich persönlicher, als wenn man irgendetwas kauft. Ich versuche den Geschmack der jeweiligen Person abzuschätzen und stelle für jeden individuell eine Platte zusammen, um etwas, das mir selbst am Herzen liegt, weiterzugeben. Ich mache das auch für bestimmte Situationen, wie Autofahren oder so. Musik ist immer dabei.
Was für Musik ist auf „Mehmet Scholl Kompiliert 2“?
Es handelt sich um eher schwere und melancholische Musik, die einen aber nicht herunterzieht, sondern Hoffnung gibt. Ich kann mir gut vorstellen, sie in Situationen zu hören, wenn es draußen regnet und ich in Gedanken bin. Die rockigen Songs wecken einen dann aber wieder auf.
Sie hören Musik auch, um sich auf ein Spiel einzustimmen.
Jeder Spieler hat seine eigene Art und Weise, sich auf ein Spiel vorzubereiten. Ich bin im Bus immer ganz still und habe einen Walkman auf. Auch in der Kabine höre ich noch etwa eine Viertelstunde Musik, eigentlich genau die Sachen, die jetzt auch auf der CD drauf sind: Brit-Pop und Independent hauptsächlich. So gibt es immer Bands, die mich einige Zeit begleiten. Momentan höre ich sehr gerne REM, Tim Burgess oder die Stone Roses. Musik ist immer auch ein Teil der Erinnerung an alte Zeiten.
Dann verknüpfen Sie mit Songs ein bestimmtes Gefühl oder Erlebnis?
Ja, speziell an „Three Lions“ (Anm. d. Red.: Besser bekannt unter dem Refrain „Football Is Coming Home“) habe ich sehr positive Erinnerungen. Das war ja der Titelsong der EM 1996 im englischen Fernsehen und auch in Deutschland ein Hit. Aber mir hätte es auch gefallen, wenn es kein Hit geworden wäre, einfach weil die Erinnerung an das Turnier so schön ist.
Wie ist die Jugend als Profifußballer?
Anders. Als die anderen ausgegangen sind, bin ich nach Hause gegangen. Wenn die um elf Uhr mit einer Zigarette im Mund lässig in die Disco gegangen sind, lag ich im Bett. Es war wichtig, dass ich einen normalen und festen Schlafrhythmus hatte. Eigentlich war das immer zu spüren: In jeder Situation war ich eingeschränkt. Weil ich nicht das machen konnte, was die anderen machten. Da fühlt man sich als Jugendlicher manchmal auch ausgeschlossen. Allerdings hatte ich immer meine Leidenschaft. Und das war der Sport und die Bewegung. Das hat mir viel mehr gegeben, als es das Ausgehen jemals gekonnt hätte.
Hatten Sie nicht manchmal das Gefühl, etwas zu verpassen?
Doch, klar; manchmal schon. Und wenn ich mit meiner Karriere fertig bin, werde ich mit Sicherheit einiges nachholen, was ich zu meiner aktiven Zeit nicht machen konnte. Zum Beispiel ein Trip durch Australien, oder ich würde mir gerne Burma anschauen. Ich will mit meinem Freund fischen lernen und durch Irland fahren. Danach sehne ich mich.
Gibt es durch Ihre Prominenz eine Art Überwachung Ihres Lebens durch Öffentlichkeit und Presse?
Nicht mehr. Beim FC Bayern stehen jetzt ganz andere im Mittelpunkt – und das passt mir sehr gut so. Eine Zeit lang genießt es ja jeder, erkannt zu werden und prominent zu sein, aber das ist vorbei. Mich reizt die Öffentlichkeit nicht mehr.
Wie sind Ihre Erfahrungen mit der Öffentlichkeit?
Ich habe die Öffentlichkeit von oben und von unten gesehen. Mal hat die Presse mich fertig gemacht, dann haben sie mich wieder in den Himmel gelobt. Ich brauche beides nicht.
Was halten Sie vom Popstartum um Fußballer, Extrem-Beispiel David Beckham?
Denn sie wissen nicht, was sie tun. Sie werfen ihr Leben für etwas nicht Fassbares weg, sie werden nie wieder in Ruhe irgendwo sitzen und einen Kaffee trinken können. Dieses Recht nehme ich mir doch noch raus.